Prinz Harry: Ich habe einen Coach. Ich wünschte ich hätte Zwei!
Wieso fällt es uns Männern so schwer, Unterstützung bei einem Coach oder Therapeuten zu suchen?

"Ich habe einen Coach. Ich wünschte ich hätte Zwei!" Das war eine der Kernaussagen von Prinz Harry bei seinem Auftritt in der "Masters of Scale" Konferenz in San Francisco, in der der Herzog von Sussex unter Anderem über die Auswirkung von Coaching für seine psychische Gesundheit sprach.
Er führte aus, dass als er in der königlichen Familie aufgewachsen sei und dann zehn Jahre beim Militär verbracht habe, habe er nie die Worte 'Therapie' oder 'Coaching' gehört. Dann lösten sich die Scheuklappen und sein Leben änderte sich. (so schrieb es Doron Weber, Vizepräsident der gemeinnützigen "Alfred P. Sloan Foundation", auf Twitter). Hinsichtlich seiner eigenen psychischen Gesundheit sei das Coaching "lebensverändernd" gewesen.
Schon 2021 hatte der Prinz im Gespräch mit Oprah Winfrey in der Apple-TV-Doku "The Me You Can't See" offen über seine eigene Coaching- und Therapie-Erfahrung gesprochen - zu der ihn seine heutige Ehefrau Meghan bewegt hatte. "Es war das Treffen und Zusammensein mit Meghan. Ich wusste, dass ich diese Frau verlieren würde, mit der ich mir vorstellen konnte, den Rest meines Lebens zu verbringen, wenn ich keine Therapie mache und mich selbst nicht in Ordnung bringe", bekannte er.
Bemerkenswert ist die Tatsache, dass hier ein Mann, der offensichtlich in einem sehr besonderen Umfeld aufgewachsen ist und wohl mit die beste und umfassendste Erziehung und Ausbildung erfahren hat, die man bekommen kann, er dennoch dieses Thema hatte und es freimütig in die Öffentlichkeit bringt. Ein Thema, das in unserem Land nicht wirklich Beachtung findet und schon gar nicht öffentlich thematisiert wird. Eher im Gegenteil, es wird - bewußt oder unbewußt - als Schwäche empfunden, wenn man sich einem Coach oder Therapeuten anvertraut, als ob man nicht in der Lage wäre, seine Probleme selbst zu lösen.
Aber ganz ehrlich, haben wir denn überhaupt gelernt, mit unserer Psyche, unseren Gefühlen, Ängsten, Bedürfnissen und Prägungen offen und gezielt umzugehen? Für die meisten von uns Männern lautet die Antwort auf diese Frage vermutlich NEIN. Warum ist es dann eine so große Hürde sich einen Menschen zu suchen, der einem hilft damit umzugehen und es dauerhaft zu lernen? Wenn wir eine Sportart beginnen oder ein Musikinstrument spielen wollen, suchen wir uns doch auch einen Trainer oder Lehrer. Worin liegt der Unterschied? An der Begrifflichkeit Lehrer, Trainer oder Coach wohl kaum.
Vermutlich liegt es daran, dass es vielen Männern schwer fällt, sich in diesem Bereich die eigene Hilflosigkeit einzugestehen, wurden wir doch größtenteils darauf hin erzogen stark zu sein, immer eine Antwort/Lösung zu haben und schon gar keine emotionale Schwäche zu zeigen. Das müssen nicht unbedingt unsere Eltern und Großeltern gewesen sein, die das bewußt oder unbewußt vermittelt haben, diese Doktrin wurde uns als Jungs oft auch durch unser Umfeld, die Schule, im Verein, durch Freunde, etc. vermittelt. Zudem werden in unserer Gesellschaft körperliche Störungen als "normal" angesehen. Psychische Themen und Störungen dahingegen sind "unnormal" und werden obendrein schnell mit psychischen Krankheiten in einen Topf geworfen - ohnehin ein schambehaftetes Thema das gemieden wird.
Sofern wir (als Kinder) nicht gelernt haben, mit diesen Themen umzugehen und auf ein aktuell präsentes Problem angemessen zu reagieren, greifen wir instinktiv auf die "angeborenen", in unserem Stammhirn hinterlegten Standardreaktionen zurück:
Angriff: Ich "zerlege" die oder denjenigen, der mich in diese Situation gebracht hat (das kann sich auch gegen sich selbst richten)
Starre:
Ich bleibe in der Situation, mache nichts bzw. tue so, als ob nichts wäre, als ob mir das nichts anhaben könnte (tut es aber innerlich)
Flucht:
Ich entziehe mich der Situation, Rückzug, Distanz herstellen, Trennung, Leugnung
Leider sind in diesem Kontext keine dieser "steinzeitlichen" Verhaltensmuster hilfreich, denn sie lösen nichts, sondern verschleppen oder verstärken sogar das Problem und produzieren möglicherweise noch zusätzlich zerschlagenes Porzellan in unserem Umfeld. Das Thema selbst hingegen reift im Schatten unserer Aufmerksamkeit, in unserem Unterbewußtsein, immer weiter heran, kommt immer mal wieder an die Oberfläche ("Warum passiert mir das schon wieder?"), wird dabei jedes mal deutlicher, bis man ihm letztendlich nicht mehr aus dem Weg gehen kann. Spätestens jetzt, kommt man nicht mehr umhin, sich damit zu beschäftigen, manchmal auch verbunden mit mehr oder weniger heftigen gesundheitlichen Problemen.
Was in seinen Anfängen noch mit "einfachen" Mitteln zu lösen gewesen wäre, bedarf dann intensiver Zuwendung. Und genau das wollte Prinz Harry wohl zum Ausdruck bringen: Coaching und Therapie sind ein wichtiger Baustein der psychischen Gesundheit und demzufolge der Gesundheitsvorsorge.
Wenn wir lernen mit unseren Gefühlen, Emotionen, Bedürfnissen und Ängsten angemessen umzugehen - und das kann uns ein darauf spezialisierter Coach vermitteln - dann können wir uns viel souveräner im Leben bewegen, sind bewußter und mehr bei uns, mehr in unserer Mitte. All das führt in der Folge dazu, dass wir mehr Lebensfreude verspüren, das wir von unserem Umfeld positiver wahr genommen werden, wir die Menschen anziehen die zu uns passen und die uns gut tun. Wir können uns mehr entspannen, sind gesünder und das Leben entspannt sich mit uns. Wer will das nicht?
Und warum genau wollten wir uns bisher keinen Coach gönnen??? Weil wir glaubten, das alles alleine und zudem besser und schneller hinbekommen?
Das alleine ist Deine Wahl - und unabhängig davon für welchen Weg und welchen Coach Du Dich entscheidest, ich wünsche Dir dabei von Herzen Erfolg.
Herzliche Grüße
Ingo

